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Predigtreihe „Verwandte und Bekannte – Plage, Aufgabe oder Geschenk?“
Predigt über „Die Väter“
(gehalten am 24. Mai 2009 in Lanz)
Liebe Gemeinde!
Welche Rolle spielen die Väter im Leben von Menschen?
Ich würde jetzt gern ein wenig in ihre Gedanken hineingucken, um mal zu sehen, woran sie jetzt denken. Denken sie an ihre eigenen Väter oder denken die Männer unter uns an das eigene Vater-sein und die Frauen an das Vater-sein ihrer Männer und vielleicht Brüder?
Je nachdem wie gewichtig im Leben oder andererseits problematisch das Verhältnis von Väter und Kindern ist oder war, werden wohl ihre Gedanken ausfallen, in die eine oder andere Richtung.
Wie sehr aber beide Denkrichtungen zusammenhängen, zeigt folgende Beobachtung. Als wir vor 10 Tagen den Geburtstag unseres ältesten Sohn Daniel gefeiert haben, saß natürlich auch Enkel John mit am Tisch und hatte seinen eigenen Spaß mit Onkel Dani. Und in diesem Rahmen des Spaßgeplänkels zwischen dem Onkel und dem Neffen, sagt Daniel einen pseudopädagogischen Satz, bei dem ich dachte: „Den kennst du.“ Und mir fiel ein, dass ich selbst diesen Satz oft verwendet habe.
Das öffnete mir spontan einen weiten Raum für weitere Assoziationen: Wie oft habe ich mich dabei ertappt, obwohl ich mich diesbezüglich schon sehr kontrolliert habe, das ich einen Satz oder einen Spruch losgelassen habe, den ich selbst als Kind oder Jugendlicher - hörend von meinem eigenen Vater - zutiefst gehasst habe.
Und doch sitzt so ein Satz tief und wird dann wieder mobil, wenn nach 20 oder 30 Jahren eine ähnlich gelagerte Situation entsteht, nur eine Generation später.
Sie sehen an diesem einfachen Beispiel, dass wir die Rollen, die wir spielen als Väter und Kinder von Vätern nicht voneinander trennen können. Im positiven, aber auch im negativen nicht.
Die inneren Bindungen, die täglichen Einflüsse sind zu stark und prägend, als dass wir beide Rollen, die wir spielen im Leben, voneinander loslösen könnten.
Das ist die eine Beobachtung. Die andere, in einem Film wahrgenommene Situation, die durchaus auch Realität widerspiegelt. Da treffen sich Vater und Sohn nach einiger Zeit, umarmen sich und klopfen sich dabei wie wild auf die Schulter. Die Szene wirkte auf mich, als wären die nicht Vater und Sohn, sondern zwei Kumpels, die zusammen beim Militär waren.
Diese seltsame Sprach- und Emotionsunfähigkeit zwischen Väter und Kindern, insbesondere zwischen Vätern und Söhnen, scheint mir auch typisch zu sein für diese spezielle Beziehungskonstellation.
Was ist das?
Angst voreinander, Abgrenzungsbedürfnis, ein nicht weiterentwickeltes Verhältnis Vater – Kind, Vater – Jugendlicher, Vater – junger Erwachsener, Vater – erwachsenes Kind? Ist irgendjemand auf einer Stufe stehengeblieben und der andere muss die Abgrenzung gewaltsam durchsetzen, um seine eigene Weiterentwicklung nicht ausbremsen zu lassen?
Sie sehen - und merken dieses vielleicht auch jetzt in sich - wie vielschichtig und auch widersprüchlich diese beiden Rollen, die man spielt, sind.
Die Väter waren in der Tradition in der Regel die Garanten für die Erziehung für außen, für die Gesellschaft, für Ordnung, Arbeit und Disziplin, während die Mütter eher die innere seelische Erziehung hatten. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Dieses spiegelt sich in der Bibel vor allem im AT wider. Es gibt wenig schöne präsentable Geschichten von Vätern und Kindern, die das Herz anrühren, eher Geschichten, die das Tragische in der Beziehung zwischen Kindern und Vätern beschreiben.
Denken sie an die Geschichte von Abraham und seinen Sohn Isaak, den er opfern sollte. Es kam zwar nicht dazu, aber Abraham hätte es getan, wenn Gott nicht eingeschritten wäre. Keine gute Ausgangsbasis für Vertrauen zwischen Kindern und Vätern.
Oder denken sie daran, wie der alte Stammvater Jakob von seinen Kindern gelinkt wurde, als diese ihren jüngsten Bruder als Sklaven verkauften und dem alten Vater was von „wurde gefressen“ erzählten. Diese Geschichte geht nach Jahrzehnten zwar hollywoodgerecht herzberührend gut aus, aber sie spiegelt schon etwas wider von der Art und Weise, wie trotz geordneter und klarer Hierarchie, die Beziehung Vater – Kinder nicht unproblematisch war, vor allem dann, wenn die Väter unpädagogisch genug waren, ein Kind den anderen vorzuziehen.
Das hat immer Probleme gegeben, bis heute.
Die Bibel berichtet uns aber nicht nur von Geschichten über das Verhältnis von Vätern und Kindern, sondern gibt auch Impulse, Weisheit weiter für das Miteinander umgehen.
Und hier zitiere ich Worte des Buches der Sprüche, die zunächst nicht überraschen:
„Gehorche mein Sohn der Zucht deines Vaters.“ – Bewahre das Gebot deines Vaters.“ – „Ein törichter Sohn ist seines Vaters Verdruss.“
Allerdings spiegelt die Bibel nicht nur die erwartete Rangfolge zwischen Vätern und Kindern wider, sondern sie sieht auch den Hintergrund für Konflikte.
Denn wenn im Epheserbrief die Aufforderung steht: „Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn…“, dann wird schon auch der Vater an Besonnenheit und Weisheit, die ihren Ursprung in Gott hat, zum Umgang mit seinen Kindern ermutigt.
Und im 1.Titusbrief wird sogar nicht ausgeschlossen, dass auch Kinder ihre Väter – in der gebührenden Achtung natürlich – durchaus ermahnen sollen, wenn es Not tut.
Sie sehen an diesem ebenso – wie bei den Müttern - breiten Spektrum biblischen Blickes auf die Väter, eine sehr realistische und nicht überhöhte Darstellung der Rolle „Vater“.
Die partnerschaftliche Rolle zwischen Vätern und Kindern – und hier sind dann auch erwachsene Kinder gemeint - spiegelt das Prophetenbuch Maleachi wider. Im Blick auf den kommenden letzten Tag, an dem Gott zuvor den Propheten Elia schickt, wird dieser das Herz der Väter zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern umkehren lassen.
Der kommende Tag des Herrn ist natürlich ein eigenständiges Thema der Hl. Schrift. Dass aber in diesem Zusammenhang die gleichwertige Zuwendung der Väter zu den Söhnen und der Söhne zu den Vätern erwähnt wird, zeigt das Gewicht, das die Hl. Schrift dieser speziellen Beziehung gibt. Und sie zeigt nicht nur das Gewicht dieser Beziehung, sondern auch die richtige Denkrichtung. Nicht oben und unten, sondern eben: gleichwertig.
Aber Jesus mutet in dieser Beziehungskonstellation Vater – Kind der Vaterrolle den größeren Anteil von Weisheit, Gelassenheit und Liebe zu. In seinem wohl schönsten Gleichnis, in dem er über die Größe der Gottesliebe zum Menschen nachdenkt, verwendet er diese Beziehung Vater – Kind als Bild.
Das Gleichnis haben wir als Evangelienlesung gehört. Ein Vater lässt seinen Sohn ziehen mit seinem Erbteil. Obwohl ihm das Herz blutet, obwohl er ahnt, wohin das Ganze führen könnte, obwohl es ihm in der Zunge juckt und er ihm gerne viel zu sagen hätte (er ihn gerne „zulabern“ würde), schweigt er und erkennt er die Freiheit seines erwachsenen Sohnes an, die auch die Option eines falschen Weges einschließt.
Vielleicht hat er auch so viel Weisheit zu wissen, dass es nichts nützt, tausend Reden zu schwingen und vor dem falschen Weg zu warnen. Vielleicht weiß er, dass die Erfahrung, einen falschen Weg gegangen zu sein und dabei ordentlich auf die „Schnauze“ gefallen zu sein, tiefer geht und mehr lehrt als ein Referat über falsche Wege.
Was er aber nicht ahnt, dass seine Liebe zu seinem Kind schon längst in seinem Kind gewurzelt hat, denn ohne diese Hoffnung auf den liebenden Vater, wäre der Sohn sicher nicht zurückgekehrt.
Und als der Sohn zurückkehrt, verlässt er seine Rolle, die dem orientalischen Vater in damaliger Zeit zusteht. Er wartet nicht bis der zurückkehrende Sohn bei ihm angelangt ist, sondern er geht, rennt dem Sohn entgegen, so dass diesem die Rückkehr Schritt für Schritt leichter wird. Er spielt nicht mehr die Rolle „Vater“, sondern er überlässt seinem Herz das zu tun, was jetzt richtig ist.
Auch heute für zu Hause drei Impulse zum Nachdenken:
1. Wie habe ich meinen eigenen Vater erlebt? Hat er auch für mein Herz und meine Seele gesorgt? Hat er mich etwas über die Liebe des Vaters im Himmel gelehrt, so wie Jesus es im Gleichnis vom verlorenen Sohn gelehrt hat?
Wenn ja, dann haben sie für viel zu danken.
Wenn nein, dann haben sie ihm viel zu verzeihen. Vergessen sie dabei nicht und seien sie barmherzig, wahrscheinlich hat er es selbst auch nicht von seinem Vater erfahren.
2. Konnte ich mein Kind loslassen im Wissen, dass es genug Liebe von mir erfahren hat, um jeder Zeit zu wissen, dass es immer zurückkehren kann?
Habe ich genug Weisheit zu schweigen, wenn mein erwachsenes Kind seinen eigenen Weg geht – auch wenn meine Zunge fürchterlich juckt?
Habe ich eine Vater-Rolle gespielt oder habe ich mich meinem Herzen überlassen? Konnte ich die Rolle ablegen, wenn mein Kind mein Herz gebraucht hat und nicht meine lexikalische Weisheit?
3. Habe ich meinen Kindern ein Gottesbild vermittelt, das sich an diesem Gleichnis Jesu orientiert? Oder muss ich mir selbst eingestehen, dass ich noch von den Restbeständen eines im Blick auf meine Sünden und Fehlungen rachedürstigen Gottesbildes lebe?
Wo muss ich meine Gottesvorstellungen ändern, damit mein Vater-sein, dem des wirklichen Vater-sein Gottes entspricht?
Und noch ein praktischer Tipp: Schreiben sie doch mal an ihre erwachsenen Kinder einen Brief (rufen sie nicht an oder mailen sie auch nicht, da bleibt man meistens nur sehr oberflächlich). Schreiben sie nichts davon, was sie gestern im Hof gebaut und im Vorgarten gepflanzt haben. Schreiben sie stattdessen, wie wichtig sie ihnen heute noch sind, das sie sie immer noch liebhaben und das sie vielleicht vergessen haben, ihnen das wichtigste von Gott mitzugeben – nämlich wie Gott in seiner Liebe zu ihnen seine Rolle verliert und ihnen entgegengeht.
Ich glaube, so ein Brief könnte ganz wichtig für ihr erwachsenes Kind sein. Amen.