Unsere Kirchen > Die Heiligen der Wootzer Kapelle
Seit vielen Jahren wird auch in den evangelischen Kirchen, insbesondere in der Kinderarbeit vieler Gemeinden der Persönlichkeit des „Heiligen Martin“ gedacht. Kein anderer Heiliger der Katholischen Kirche hat es so gut geschafft, sich seinen Platz im Leben evangelischer Gemeinden zu erobern. Warum und wer war dieser Mann? Damit will sich der zweite Teil der Reihe über die Heiligen des Wootzer Altars beschäftigen.
Martin von Tours …
so lautet sein eigentlicher Name, wobei ‚Tours‘ nicht seine Geburtsstadt bezeichnet, sondern den Ort an dem er später einmal Bischof werden wird.
Er wird 316 (evl. 317) in Sabaria, dem heutigen Szombathely (Ungarn) geboren. Knapp drei Jahre waren grade vergangen, nachdem die römischen Kaiser Konstantin und Licinius dem christlichen Glauben volle Freiheit und Anerkennung verliehen hatten und die Christen ihre politische, bürgerliche und soziale Gleichberechtigung als römische Bürger bekamen.
Martin wächst in Ticinium, dem heutigen Pavia in Oberitalien auf. Ob-wohl seine Eltern Heiden waren, kommt er schon als Kind in Berührung mit dem christlichen Glauben. Mit 12 Jahren bittet er gegen den Willen seiner Eltern um Glaubensunterricht, wird aber erst 6 Jahre später getauft.
Als Sohn eines Militärtribuns ist er verpflichtet Militärdienst zu leisten und tritt mit 15 Jahren in das kaiserliche Heer ein. Aus dieser Zeit wer-den Charakterzüge Martins berichtet: er ist sehr bescheiden, führt ei-nen reinen Lebenswandel und lebt eine selbstvergessende Nächstenliebe – Eigenschaften, die im römischen Heer nicht an der Tagesordnung waren. Aus dieser Zeit, im Jahr 334, Martin ist noch nicht getauft, stammt die bekannteste Geschichte, die von ihm überliefert ist: Es ist Winter und Martin befindet sich auf einem Ritt in der Nähe der Stadt Amiens. Da scheut sein Pferd und aus dem Schnee erhebt sich ein zitternder Bettler in seinen zerrissenen Lumpen und fleht um Almosen. Martin hatte grade sein Geld im Kreis seiner Kameraden verspielt, doch die Not des Bettlers rührt ihn an und so nimmt er sein Schwert und teilt seinen Offiziersmantel in zwei Hälften. Er wirft die eine Hälfte dem Bettler zu mit den Worten: „Bedanke dich bei meinem Pferd, denn ihm kam dieser Teil zugute.“
In der folgenden Nacht träumt er von Jesus, der von einer leuchtenden Schar umgeben ist. Über seinen Schultern trägt dieser genau den Teil des Tuches, den er dem Bettler geschenkt hatte. Zu den Engeln gewandt sagt Jesus: „Der Taufbewerber Martin hat mich mit diesem Gewand bekleidet.“
Als Martin einem Priester diesen Traum erzählt, erinnert dieser ihn an ein Wort von Jesus aus dem Matthäus-Evangelium (25,40): „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Der Priester sagt dabei weiter zu Martin: „Ich habe den Eindruck, als halte der Herr für dich auch ein Gewand bereit, mit dem er dich bekleiden will.“ Dieser Satz des Priesters wird später gedeutet als Hinweis auf die zukünftige Bischofswürde, die Martin erhalten wird.
Sein Lebensweg führt ihn bald aus dem Militärdienst hinaus und in den Dienst am Evangelium. Nach einer Zeit in der Einsamkeit, erst in der Nähe von Genua, später bei Tours (im Herzen Frankreichs) wird er 371 zum Bischof gewählt. Er war bei dem Volk beliebt, weil er – auch als Bischof - als Armer unter Ärmsten lebte, Frieden stiftete, wo er nur konnte und Not linderte, so wie es in seinen Kräften stand.
Am 8. November 397 stirbt er in Candes bei Tours.
Martin von Tours stellt auch uns heute die Frage nach der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit: Lassen wir uns unser Herz von der Not anderer anrühren? Oder drehen wir uns nur um unsere eigenen Nöte?
Wie ernst nehmen wir das Wort von Jesus: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“?